Neun Tage Ostafrika liegen hinter ihm. 7000 Kilometer im Geländewagen und im Laster, teils von Schlagloch zu Schlagloch, teils stundenlang durch die Wüste, teils umgeben von schießwütigen Kriminellen. Nun hat er unzählige Bilder im Kopf und das Gefühl, einigen Menschen geholfen zu haben.
Am Mittwoch ist Gundolf Tessmann wieder in Deutschland gelandet, gestern erzählte er von seiner Reise. Tessmann war jahrelang Jurist, später Geschäftsführer der Bekleidungskette New Yorker. „Ich habe in meinem Leben so viel Gutes erfahren – davon kann ich etwas abgeben“, sagt er. Dass er dabei an Afrika denkt, ist kein Zufall: 1980 war er das erste Mal auf dem Kontinent, seitdem hat es ihn immer wieder dorthin gezogen.
„Das ist praktisch meine zweite Heimat“, sagt er. „In Afrika haben wir Europäer viel falsch gemacht, wir haben Sklaven gehalten, wir haben gemordet und Bodenschätze geplündert. Es macht mich traurig, was dort passiert ist – und was heute passiert.“
Aber es lähmt ihn nicht, und er hat sich auf den Weg nach Ostafrika gemacht. Das hatte zwei Gründe: Zum einen ist seine Frau Vorsitzende des Vereins „Tiny Tots“, der sich für Kinder engagiert und angesichts der Hungersnot helfen wollte. Zum anderen hat ihn ein Freund aus München gefragt, ob er ihn dorthin begleiten würde.
Bevor es losging, hat Tessmann noch Unterstützung aus Braunschweig bekommen: Das Autozentrum Voets steuerte Geld bei, und der Pharmagroßhandel Kehr gab ihm unter anderem Speichelersatzlösung mit auf den Weg. „Das war genau richtig, weil viele der Kinder durch ihren ausgetrockneten Mund gar keine Nahrung mehr aufnehmen konnten. Die Lösung wurde mit Tupfern in den Mund geträufelt – das hat geholfen.“
Von München aus sind die beiden Männer also Anfang August nach Mombasa an der Ostküste Kenias geflogen. Sie organisierten einen Lastwagen und fuhren nach Nordosten in Richtung der Grenze zu Somalia. Unterwegs kauften sie auf Märkten riesige Mengen an Wasser und Lebensmitteln, etwa Datteln und Mehl – ihr Ziel war das größte Flüchtlingslager der Welt in Dadaab. 400 000 Menschen leben dort, darunter viele Somalis.
„Die Strecke ist gefährlich, wir hatten eine Polizeieskorte dabei, weil wir jederzeit mit einem Überfall rechnen mussten. Es ist gutgegangen“, erzählt Tessmann. „Als wir im Lager waren, kamen von allen Seiten Flüchtlinge. Das Militär hat angeordnet, dass sich alle in Reihen aufstellen. Am Anfang war die Disziplin groß, aber das schlug bald um. Die Somalis sind sehr temperamentvoll. Wenn einer das Gefühl hatte, dass ein anderer mehr bekam, dann wollte er ihm das wegnehmen. Das Militär musste Ruhe reinbringen. Es tat weh, zu sehen, wie sich diese Menschen um Dinge streiten, die für uns normal sind, Wasser zum Beispiel.“
Tessmann sieht diesen Hilfstransport als Überlebenshilfe, aber das reicht ihm nicht. „Die meisten Somalis haben nichts mehr, ihr Vieh ist tot. Ich denke, dass nur wenige zurückgehen nach Somalia, wo Dürre und Bürgerkrieg herrschen. In Nordkenia leben seit Jahren Somalis, es gibt zum Teil fruchtbareres Land. Dort muss man für Notleidende etwas Neues schaffen.“
Seine Idee: „Als Nächstes bringen wir Gemüse-Saatgut nach Ostafrika. Erbsen, Bohnen, Zucchini, Melonen und vieles mehr“, sagt er. Von einer ehemaligen Saatgutfirma aus dem Harz hat Tessmann kürzlich enorme Mengen im Wert von einer Million Euro übernommen, das Ganze liegt noch in Braunschweig. „Wenn man Saatgut hat, dann ist das eine gute Ausgangslage. Saatgut ist der Ursprung des Lebens.“
Quelle: „Braunschweiger Zeitungsverlag GmbH & Co. KG – newsclick.de – http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/472005/artid/14690767“